„Ich rede gegen das Vergessen“ – Zeitzeugengespräch mit Karla Spagerer

Karla Spagerer, Jahrgang 1929, ist eine Ur-Mannheimerin. Das merkt man ihr auch an, wenn sie über ihre Kindertage und Jugendzeit in der Quadratestadt spricht. Am Mittwoch, den 19.03.2025 kam Karla Spagerer aber nicht nach Viernheim, um in einem munteren Plausch Anekdoten aus ihrer Vergangenheit zu erzählen, sondern, um Schülern der Q-Phase ihre Erlebnisse aus der NS-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg zu schildern. Begleitet von Dieter Augstein sprach sie in der vollen Aula der AvH und früh stellte sie klar heraus, was sie antreibt: „Ich rede gegen das Vergessen, weil ich nicht möchte, dass dieses Kapitel der deutschen Geschichte jemals in Vergessenheit gerät“. Die Gelegenheit zu diesem Zeitzeugengespräch wurde durch eine kurzfristige Kooperation mit den Kollegen der AvH, namentlich Frau Ehrler, ermöglicht.

Spagerer beschrieb den aufmerksamen Schülern zunächst, wie sich Mannheim und die Gesellschaft rasant veränderte: Von Bespitzelungen durch die Gestapo bis hin zu Verhaftung und Internierung eigener Familienmitglieder boten die Schilderungen bereits früh einen authentischen Tiefgang zur mittlerweile über 80jährigen deutschen Geschichte. Von 1933 bis 1945 reichten die detailreichen Berichte. Die systematische Ausgrenzung und Verfolgung Andersdenkender lag im Fokus von Spagerers Darstellungen. 1938 wurde sie selbst Zeugin der Reichspogromnacht. Es folgten sechs Jahre Weltkrieg, die sie vor allem als „arme Jahre“ voller Brutalität und Umbrüche erlebte. Das Fehlen ordentlicher Schulstrukturen und Bildung, die täglichen Stunden in Luftschutzbunkern und die beinahe komplette Zerstörung Mannheims brannten sich in das Gedächtnis Karla Spagerers. Das Aufwachsen in einer Diktatur, in der man Angst haben musste, was man öffentlich sagte, prägten nachhaltig. Aber auch das Aufatmen, als der „verdammte“ Krieg endlich zu Ende war und eine Aufbruchstimmung durch ihre Generation ging.

Man muss tatsächlich live dabei gewesen sein, um Spagerers informative Schilderungen alle präsent zu haben. Die Genauigkeit, mit der sie das Mannheim der 30er und 40er Jahre auf die Bühne holte, hinterließ einen bleibenden Eindruck bei dem großen Auditorium. Die abschließende Fragerunde unterstrich noch einmal die Wichtigkeit solcher Veranstaltungen.

Die Schulfamilie der AMS bedankt sich von Herzen für die nachdrückliche Erfahrung und wünscht Karla Spagerer noch viele Gelegenheiten „gegen das Vergessen zu reden“.

gez. Yannick Wieder